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Gedichte

Max Hörberg

Otto Julius Bierbaum:

Des Musterknaben kläglich Lied

Manchen Wein hab ich getrunken,
Manchem schönen Kinde bin
Ich verliebt an‘s Herz gesunken;
Jetzt geht alles nüchtern hin,
Abgezirkelt, abgemessen,
und das ist des Liedes Sinn:
Ach, vergossen, ach, vergessen!

Dunkelroter Wein im Becher
Und ein weißer Busen bloß,
Ein Verliebter und ein Zecher,
War ich selig, war ich groß,
Ritt auf Rausches roten Rossen
Mitten in der Götter Schooß, -
Ach, vergessen, ach vergossen!

Einsam geh ich nachts nach Hause,
Und mein Keller steht mir leer,
Das verworrene Gebrause,
Ach, mein Herz kennt es nicht mehr;
Tugend hat sich eingesessen,
Exemplarisch, würdig, schwer, -
Ach, vergossen, ach, vergessen!

Soll mich gar nichts mehr entzücken?
Soll ich ewig nüchtern sein?
Wehe, Tugend, deinen Tücken,
Denn sie machen mir nur Pein;
Sauertöpfisch und verdrossen
Trag ich meinen Heiligenschein, -
Ach, vergessen, ach, vergossen!

Mittagessen

Um einen großen Tisch
Sind wir herumgesessen
Und haben ausgezeichnet
Getrunken und gegessen;
Geistreiche Leute waren auch dabei.
Weiß Gott, da konnte man merken,
Was Witz und Bosheit sei.
Zu Suppe, Braten, Fisch, Kompot,
Salat und süßer Speise
Maultrommelte Kritik und Spott,
Es reimte Teufel sich auf Gott
In dieser muntern Weise.

Von der Suppe bis zum Schnapse
Saß ich sprachlos da,
Wie getroffen vom Collapse,
Wußte nicht wie mir geschah.
Tournedos, Kaviar, Lampreten,
Rindfleisch à la Bordelais‘,
Stilton-, Schweizer-, Chesterkäs,
Und dazwischen immer Reden! -:

Bismarck, Harden, Stinde, Goethe,
Wagner, Bungert, Dahn, Homer,
Fledermaus und Zauberflöte,
Ludolf Waldmann, Meyerbeer;
China, Japan, Böcklin, Thumann,
Thoma, Werner, Stuck und Knaus,
Johann, Eduard, Richard Strauß,
Kaiser Wilhelm, Robert Schumann...
Mahlzeit! Mahlzeit! Laßt’s mi aus!!!

Ein Lied im Lehnstuhl

Laßt uns nicht schelten und schmähähen,
Das Leben ist so wie so schlimm, | ja schlimm! |
Laßt Friedenskörner uns sä..ä..en,
Begraben den grimmigen Grimm.

Was hilft es, die Fäuste zu ba..a..llen,
Dadurch wird der Böse nicht gut | ja gut! |
Und ist ein Schimpfwort gefa..a..llen,
Verdoppelt sich bloß seine Wut.

Zähneknirschen und Augenro..o..llen,
Hat gleichfalls gar keinen Sinn | ja Sinn! |
Sie thun ja doch was sie wo..o..llen,
Geh’n ihres Weges dahin.

Drum rat ich euch, zündet die Pfei..ei..fe
Des Friedens im Lehnstuhle an | ja an! |
Zorn ist eine giftige Sei..ei..fe,
Die Unheil anrichten kann.

 

 

 

Richard Dehmel:

Der Schatten

Ich hab einen kleinen Schatten, der geht wohin ich geh;
Aber wozu ich ihn habe, ist mehr als ich versteh.
Er ist ganz ebenso wie ich, blos nicht ganz so schwer;
Und wenn ich in mein Bettchen hüpfe, dann hüpft er hinterher.

Das sonderbarste an ihm ist, wie er sich anders macht;
Garnicht wie artige Kinder thun, hübsch alles mit Bedacht.
Nein, manchmal springt er schneller hoch, als mein Gummimann;
Und manchmal macht er sich so klein, daß Keiner ihn finden kann.

Neulich ganz früh, da stand ich auf, noch eh die Sonne schien,
Und ging spazieren durch den Tau, im Gras, und suchte ihn.
Aber mein kleiner fauler Schatten, als wenn er Schnupfen hätt,
Lag wie ein altes Murmeltier noch fest zu Bett.

Gustav Falke:

Das Ständchen

Acht Männer stehn im Kreise,
Was fällt den acht Männern ein?
Sie singen eine sanfte Weise:
Es hat nicht sollen sein.
Doch der Teufel hol den Tenor.

Acht biedere Seifensieder
Singen von Liebe und Mai,
Die alten schönen Lieder
Nach bekannter Melodei.
Doch der Teufel hol den Tenor.

Acht brave Bürger bringen
Ein Ständchen dem Klubkumpan,
Und will es nicht recht gelingen,
So hat es der Schnupfen gethan.
Doch der Teufel hol den Tenor.

Der Teufel hol den Tenor sich,
Den meckernden Ziegenbock.
Er hole den ganzen Chor sich
Mit Hut und Rock und Stock.
Doch der Teufel sieht sich wohl vor.

Lebensläufe

Drei kleine Knaben
Hüteten die Gänse,
Hatt‘ jeder seine Gaben,
Und wurden große Hänse.

Einer ward ein Schneider,
Der hatte zehn Gesellen,
Dem König macht er Kleider,
Dem Narren eins mit Schellen.

Der andre nahm ‘ne Pfarre,
Wusch allem Volk die Köpfe,
Der Herr lohnt ihm die Quarre,
Und füllt ihm Tasch‘ und Töpfe.

Der Dritte ward ein Schreiber,
Hat schöne Lieder gesungen,
Die Kinder und die Weiber
Sind um ihn hergesprungen.

Der Schneider kriegt ‘nen Orden,
Der Pfarrer kriegt die Gicht,
Der Schreiber ist verdorben,
Wo, weiß man nicht.

August Harzberg:

Zwischenwelt

Saugtiere... Blutigel... im blauenden Gewölke -
sie darbten und verstanden nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alfred Walter Heymel:

Kater

Rumplumplumplum,
Rumplumplumplum,
Mir plumpst ein Backstein im Kopf herum,
Rumplum!
Au au au au!
Verfluchtes Gehau,
Vertrakter Diskant
In der Schädelwand!
Es zieht und sägt,
Im Magen regt
Ein Kobold das Messer;
Und wird’s nicht besser,
So schieß ich mich tot.
Herr, sieh meine Not!
Schnei Heringssalat!
Will früh auch und spat
Dich loben alsdann
Als gläubiger Mann,
Rumplumplumplump -
Auauau -
Rumplum.

Der Dichter singt zum Schluss

Himmelhimmelsakra,
Das ist ‘ne Schweinerei,
Nun hab ich dreißig Hühner
Und keines legt ein Ei.

Himmelhimmelsakra,
Der Mai ist bald vorbei.
Er brachte mir kein Küßchen,
Nicht mal drei.

Himmelhimmelsakra,
Mein Lied ist schon vorbei,
Es ist zwar eitel Blödsinn,
Doch hat’s der Verse drei.

Frank Wedekind:

Brigitte B.

Ein junges Mädchen kam nach Baden,
Brigitte B. war sie genannt,
Fand Stellung dort in einem Laden,
Wo sie gut angeschrieben stand.

Die Dame, schon ein wenig älter,
War dem Geschäfte zugethan,
Der Herr ein höherer Angestellter
Der königlichen Eisenbahn.

Die Dame sagt nun eines Tages,
Wie man zu Nacht gegessen hat:
Nimm dies Paket, mein Kind, und trag‘ es
Zu der Baronin vor der Stadt.

Auf diesem Wege traf Brigitte
Jedoch ein Individium,
Das hat an sie nur eine Bitte,
Wenn nicht, dann bringe er sich um.

Brigitte, völlig unerfahren,
Gab sich ihm mehr aus Mitleid hin.
Drauf ging er fort mit ihren Waren
Und ließ sie in der Lage drin.

Sie konnt‘ es anfangs gar nicht fassen,
Dann lief sie heulend und gestand,
Daß sie sich hat verführen lassen,
Was die Madam verzeihlich fand.

Daß aber dabei die Tornüre
Für die Baronin vor der Stadt
Gestohlen worden sei, das schnüre
Das Herz ihr ab, sie hab‘ sie satt.

Brigitte warf sich vor ihr nieder,
Sie sei gewiß nicht mehr so dumm;
Den Abend aber schlief sie wieder,
Bei ihrem Individium.

Und als die Herrschaft dann um Pfingsten
Ausflog mit dem Gesangverein
Lud sie ihn ohne die geringsten
Bedenken abends zu sich ein.

Sofort ließ er sich alles zeigen,
Den Schreibtisch und den Kassenschrank,
Macht die Papiere sich zu eigen
Und zollt ihr nicht mal mehr den Dank.

Brigitte, als sie nun gesehen,
Was ihr Geliebter angericht,
Entwich auf unhörbaren Zehen
Dem Ehepaar aus dem Gesicht.

Vorgestern hat man sie gefangen,
Es läßt sich nicht beschreiben, wo;
Dem Jüngling, der die That begangen,
Dem ging es gestern ebenso.