Otto Julius Bierbaum:
Des
Musterknaben kläglich Lied
Manchen Wein hab
ich getrunken, Manchem schönen Kinde bin Ich
verliebt an‘s Herz gesunken; Jetzt geht alles
nüchtern hin, Abgezirkelt, abgemessen, und das ist
des Liedes Sinn: Ach, vergossen, ach,
vergessen!
Dunkelroter Wein im Becher Und ein
weißer Busen bloß, Ein Verliebter und ein
Zecher, War ich selig, war ich groß, Ritt auf
Rausches roten Rossen Mitten in der Götter Schooß,
- Ach, vergessen, ach vergossen!
Einsam geh
ich nachts nach Hause, Und mein Keller steht mir
leer, Das verworrene Gebrause, Ach, mein Herz
kennt es nicht mehr; Tugend hat sich
eingesessen, Exemplarisch, würdig, schwer, - Ach,
vergossen, ach, vergessen!
Soll mich gar nichts
mehr entzücken? Soll ich ewig nüchtern sein? Wehe,
Tugend, deinen Tücken, Denn sie machen mir nur
Pein; Sauertöpfisch und verdrossen Trag ich meinen
Heiligenschein, - Ach, vergessen, ach,
vergossen!
Mittagessen
Um einen
großen Tisch Sind wir herumgesessen Und haben
ausgezeichnet Getrunken und gegessen; Geistreiche
Leute waren auch dabei. Weiß Gott, da konnte man
merken, Was Witz und Bosheit sei. Zu Suppe,
Braten, Fisch, Kompot, Salat und süßer
Speise Maultrommelte Kritik und Spott, Es reimte
Teufel sich auf Gott In dieser muntern Weise.Von der Suppe bis zum Schnapse Saß ich sprachlos
da, Wie getroffen vom Collapse, Wußte nicht wie
mir geschah. Tournedos, Kaviar,
Lampreten, Rindfleisch à la Bordelais‘, Stilton-,
Schweizer-, Chesterkäs, Und dazwischen immer Reden!
-:
Bismarck, Harden, Stinde, Goethe, Wagner,
Bungert, Dahn, Homer, Fledermaus und
Zauberflöte, Ludolf Waldmann, Meyerbeer; China,
Japan, Böcklin, Thumann, Thoma, Werner, Stuck und
Knaus, Johann, Eduard, Richard Strauß, Kaiser
Wilhelm, Robert Schumann... Mahlzeit! Mahlzeit!
Laßt’s mi aus!!!
Ein Lied im
Lehnstuhl
Laßt uns nicht schelten und
schmähähen, Das Leben ist so wie so schlimm, | ja
schlimm! | Laßt Friedenskörner uns
sä..ä..en, Begraben den grimmigen Grimm.
Was
hilft es, die Fäuste zu ba..a..llen, Dadurch wird der
Böse nicht gut | ja gut! | Und ist ein Schimpfwort
gefa..a..llen, Verdoppelt sich bloß seine
Wut.
Zähneknirschen und Augenro..o..llen, Hat
gleichfalls gar keinen Sinn | ja Sinn! | Sie thun ja
doch was sie wo..o..llen, Geh’n ihres Weges
dahin.
Drum rat ich euch, zündet die
Pfei..ei..fe Des Friedens im Lehnstuhle an | ja an!
| Zorn ist eine giftige Sei..ei..fe, Die Unheil
anrichten kann.
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Richard
Dehmel:
Der Schatten
Ich hab
einen kleinen Schatten, der geht wohin ich geh; Aber
wozu ich ihn habe, ist mehr als ich versteh. Er ist
ganz ebenso wie ich, blos nicht ganz so schwer; Und
wenn ich in mein Bettchen hüpfe, dann hüpft er
hinterher.
Das sonderbarste an ihm ist, wie er sich anders
macht; Garnicht wie artige Kinder thun, hübsch alles
mit Bedacht. Nein, manchmal springt er schneller
hoch, als mein Gummimann; Und manchmal macht er sich
so klein, daß Keiner ihn finden kann.
Neulich
ganz früh, da stand ich auf, noch eh die Sonne
schien, Und ging spazieren durch den Tau, im Gras,
und suchte ihn. Aber mein kleiner fauler Schatten,
als wenn er Schnupfen hätt, Lag wie ein altes
Murmeltier noch fest zu Bett.
Gustav
Falke:
Das Ständchen
Acht
Männer stehn im Kreise, Was fällt den acht Männern
ein? Sie singen eine sanfte Weise: Es hat nicht
sollen sein. Doch der Teufel hol den
Tenor.
Acht biedere Seifensieder Singen von
Liebe und Mai, Die alten schönen Lieder Nach
bekannter Melodei. Doch der Teufel hol den
Tenor.
Acht brave Bürger bringen Ein Ständchen
dem Klubkumpan, Und will es nicht recht
gelingen, So hat es der Schnupfen gethan. Doch der
Teufel hol den Tenor.
Der Teufel hol den Tenor
sich, Den meckernden Ziegenbock. Er hole den
ganzen Chor sich Mit Hut und Rock und Stock. Doch
der Teufel sieht sich wohl
vor.
Lebensläufe
Drei kleine
Knaben Hüteten die Gänse, Hatt‘ jeder seine
Gaben, Und wurden große Hänse.
Einer ward ein
Schneider, Der hatte zehn Gesellen, Dem König
macht er Kleider, Dem Narren eins mit
Schellen.
Der andre nahm ‘ne Pfarre, Wusch
allem Volk die Köpfe, Der Herr lohnt ihm die
Quarre, Und füllt ihm Tasch‘ und Töpfe.
Der
Dritte ward ein Schreiber, Hat schöne Lieder
gesungen, Die Kinder und die Weiber Sind um ihn
hergesprungen.
Der Schneider kriegt ‘nen
Orden, Der Pfarrer kriegt die Gicht, Der Schreiber
ist verdorben, Wo, weiß man nicht.
August Harzberg:
Zwischenwelt
Saugtiere...
Blutigel... im blauenden Gewölke - sie darbten und
verstanden nicht.
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Alfred
Walter
Heymel:
Kater
Rumplumplumplum, Rumplumplumplum, Mir
plumpst ein Backstein im Kopf herum, Rumplum! Au
au au au! Verfluchtes Gehau, Vertrakter
Diskant In der Schädelwand! Es zieht und
sägt, Im Magen regt Ein Kobold das Messer; Und
wird’s nicht besser, So schieß ich mich tot. Herr,
sieh meine Not! Schnei Heringssalat! Will früh
auch und spat Dich loben alsdann Als gläubiger
Mann, Rumplumplumplump - Auauau
- Rumplum.
Der Dichter singt zum
Schluss
Himmelhimmelsakra, Das ist ‘ne
Schweinerei, Nun hab ich dreißig Hühner Und keines
legt ein Ei.
Himmelhimmelsakra, Der Mai ist
bald vorbei. Er brachte mir kein Küßchen, Nicht
mal drei.
Himmelhimmelsakra, Mein Lied ist
schon vorbei, Es ist zwar eitel Blödsinn, Doch
hat’s der Verse drei.
Frank
Wedekind:
Brigitte B.
Ein
junges Mädchen kam nach Baden, Brigitte B. war sie
genannt, Fand Stellung dort in einem Laden, Wo sie
gut angeschrieben stand.
Die Dame, schon ein wenig älter, War dem Geschäfte
zugethan, Der Herr ein höherer Angestellter Der
königlichen Eisenbahn.
Die Dame sagt nun eines
Tages, Wie man zu Nacht gegessen hat: Nimm dies
Paket, mein Kind, und trag‘ es Zu der Baronin vor der
Stadt.
Auf diesem Wege traf Brigitte Jedoch
ein Individium, Das hat an sie nur eine
Bitte, Wenn nicht, dann bringe er sich
um.
Brigitte, völlig unerfahren, Gab sich ihm
mehr aus Mitleid hin. Drauf ging er fort mit ihren
Waren Und ließ sie in der Lage drin.
Sie
konnt‘ es anfangs gar nicht fassen, Dann lief sie
heulend und gestand, Daß sie sich hat verführen
lassen, Was die Madam verzeihlich fand.
Daß
aber dabei die Tornüre Für die Baronin vor der
Stadt Gestohlen worden sei, das schnüre Das Herz
ihr ab, sie hab‘ sie satt.
Brigitte warf sich vor
ihr nieder, Sie sei gewiß nicht mehr so dumm; Den
Abend aber schlief sie wieder, Bei ihrem
Individium.
Und als die Herrschaft dann um
Pfingsten Ausflog mit dem Gesangverein Lud sie ihn
ohne die geringsten Bedenken abends zu sich
ein.
Sofort ließ er sich alles zeigen, Den
Schreibtisch und den Kassenschrank, Macht die Papiere
sich zu eigen Und zollt ihr nicht mal mehr den
Dank.
Brigitte, als sie nun gesehen, Was ihr
Geliebter angericht, Entwich auf unhörbaren
Zehen Dem Ehepaar aus dem Gesicht.
Vorgestern
hat man sie gefangen, Es läßt sich nicht beschreiben,
wo; Dem Jüngling, der die That begangen, Dem ging
es gestern ebenso. |
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