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gamme  [französ.] Tonleiter

 

Garcia, Beata Elena Rodriguez [von Maximilian Hörberg 26.10.2008]  * ca. 1842, + 19.04.1917 in Keflyn, Seaton Road, Camberley, Frimley, County of Surrey, District Farnham, England; verh. mit Manuel Garcia d.J.; Tochter: Paula M. (verh.) Franks. Waverley Wood. Waverley Drive, Camberley.

 

Garcia, Gustave. 1837-1925. Sohn von Manuel Garcia d.J.

 

Garcia, Manuel d.Ä. 1775-1832. Stimmbildner. Gesangsstudium zuletzt bei Giovanni Anzani (Schüler des Porpora) in Neapel von 1811 bis 1816. Er begann dort das Studium also im Alter von 36 Jahren. Manuel Garcia d.Ä. war einer der bedeutendsten Stimmbildner aller Zeiten, wie man an seinen Schülern erkennt: N.E. Cattaneo, Frl. Colombelle, Frl. Edwige, Frl. Favelli, Manuel Patricio Rodriguez Garcia, Frl. Gebauer, Jean-Antoine-Just Géraldy, Edvige Louis, Maria Felicitas Malibran de Beriot (Garcia), Henriette Clementine Meric-Lalande, Comtesse Merlin, Adolphe Nourrit, Louis Nourrit, Paulin Richard, Frau Rimbault, Paolo De Rosich, Josefa Ruiz-Garcia (Garcia-Morales), Pauline Viardot-Garcia. - Er erlaubte seiner Tochter Maria (Malibran) nicht, irgendetwas anderes als Übungen zu singen: 6 Jahre lang Tonleitern und Solfeggien. Nach dieser Methode war er selbst in Sevilla ausgebildet worden.

 

Garcia, Manuel Patricio Rodriguez (d.J.) (1) [von Maximilian Hörberg ab 26.10.2008] Stimmbildner, 1805-1906. Erfinder des Laryngoskops (Kehlkopfspiegel); zuletzt verh. mit Beata Elena Rodriguez Garcia. Schüler von: Giovanni Anzani, Aprile, Manuel Garcia d.Ä., Niccolo Antonio Zingarelli; Lehrer von: u.a. Frau Barbier-Walbronne, Charles-Amable Battaille, Erminia Frezzolini-Poggi, Eugenie Garcia, Gustave Garcia, Catherine Hayes, Herman Klein, Jenny Lind, Maria Felicitas Malibran de Beriot (Garcia), Mathilde Marchesi, Salvatore Marchesi, Willy Niering (Lehrer von Felix Rolke), Henriette Nissen-Saloman ([von B. Bessel, 1880:] Was in St. Petersburg und im Innern des [Russischen] Reiches gut singt, sind ausschließlich ihre Schülerinnen.), Charles Santley, Malwine Schnorr von Carolsfeld (Garrigues) (von Richard Wagner bevorzugte Sängerin), Anna Schoen-Rene, Emma Seiler, Antoinette Sterling MacKinley, Malcolm Sterling MacKinley, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia, Johanna Wagner (Richard Wagners Nichte, von Richard Wagner zu Garcia geschickt).

(2) [von Karl Wolff (Hrsg.)] Der berühmte Gesangsmeister Manuel Garcia feierte am 14. März in voller Gesundheit in London seinen hundertsten Geburtstag. Es wäre interessant genug, diesen Mann, an dem das Musikleben des Jahrhunderts in solcher Fülle und Unmittelbarkeit als eigenes Erlebnis vorbeigezogen ist wie an keinem andern, um seine Erinnerungen zu befragen; ist er doch selbst oder durch seine beiden Schwestern, die Malibran und Pauline Viardot, mit allem in persönlicher Berührung gewesen, was in dem verflossenen Jahrhundert etwas in der Musik bedeutete. Da Manuel Garcia selbst aber nicht dazu zu haben ist, seine Erlebnisse und Erinnerungen vor seinen Zeitgenossen von heute auszubreiten, hat ein Mitarbeiter des "Petit Journal"  den guten Einfall gehabt, sich von Pauline Viardot-Garcia etwas über ihren Bruder erzählen zu lassen, das dem Wiener Fremdenblatt übermittelt wurde.

Die berühmte Gesangskünstlerin wohnt in Paris, in einem eleganten Hause des aristokratischen Boulevard Saint-Germain. Die Achtzigerin empfing den Journalisten freundlich lächelnd in ihrem Salon, der voll von Andenken und Erinnerungszeichen ist. "In den Biographien meines Bruders Manuel Garcia sind viele Irrtümer", erzählte Mme. Viardot. "Man behauptet, er sei in Madrid geboren; ich glaube aber, dass er in Zafra, in Katalonien, zur Welt gekommen ist. Ich sage, ich glaube, weil ich diesem freudigen Ereignisse selbst nicht beiwohnte; ich bin nämlich um 16 Jahre jünger als Manuel. Übrigens war unser Vater, der berühmte Sänger Emanuel Garcia, ein großer Reisender. Ich weiß also nicht bestimmt, wo mein Bruder zur Welt kam - jedenfalls aber nicht in Madrid. Man hat auch geschrieben, mein Bruder sei als Sänger in Paris aufgetreten. Das ist nicht richtig. Mein Bruder ist Gesangsprofessor, aber er hat niemals selbst in Paris öffentlich gesungen. Ich will Ihnen auseinandersetzen, warum. Mein Vater wollte, dass Manuel, der eine prachtvolle Stimme - einen herrlichen Bariton - besaß, Sänger werde, wie er. Aber Manuel hatte keine Neigung für diesen Beruf; er interessierte sich viel mehr für wissenschaftliche Dinge, für Anatomie, Astronomie und Dinge, welche die Navigation betreffen. Aber die Anatomie zog ihn vor allem an. Wenn Sie wüssten, was für eine bizarre Gesellschaft mir Manuel damals leistete. Er war schon ein großer junger Mann und ich noch ein ganz kleines Mädchen: Und er brachte mir aus seinen anatomischen Kursen Hühnerkehlen, Kehlköpfe von Hammeln und Ochsen; und diese blutigen Fetzen stießen mich nicht einmal zu sehr zurück... Dank diesen seinen jugendlichen Studien geschah es, dass mein Bruder seinen allgemein bekannten Apparat, das Laryngoskop, erfinden konnte; er legte diese epochemachende Erfindung im Jahre 1840 der Pariser Akademie der Medizin vor, zugleich mit seinem Memoire über die menschliche Stimme. Aber ich habe Ihnen noch immer nicht gesagt, wieso Manuel aufhörte, zu singen.

Unsere Familie übersiedelte damals nach Mexiko. Aber anderthalb Jahre später kehrte Manuel, der meinem Vater geholfen hatte, in Mexiko ein Theater zu begründen, nach Europa zurück und machte sich in Italien ansässig. Hier machte er die Bekanntschaft Lablaches, der einen Bass von außerordentlichem Umfang besaß. Manuel spielte mit seiner Stimme neben Lablache die Rolle des Frosches, der sich zu dem Umfang des Ochsen neben ihm aufblasen wollte. Er wollte es Lablache gleichtun, und ruinierte damit seinen schönen Bariton. Nichtsdestoweniger debütierte er, in Neapel glaube ich, und erzielte einen furchtbaren Durchfall. Mehr hatte er nicht gewünscht. Er sammelte alle Zeitungsartikel, die von seinem Misserfolg berichteten und ihm rieten, die Sängerlaufbahn aufzugeben, und sandte diese Kritiken an meinen Vater mit einem Brief, in dem er - ich erinnere mich wohl daran - schrieb: "Sie sehen, mein Vater, dass ich nicht Künstler sein kann. Ich werde mich also Bestrebungen zuwenden, die mir am Herzen liegen und für die ich geboren zu sein glaube." Unsere Mutter war unglücklich. Wir, seine Schwestern, Maria (die Malibran) und ich, mischten unsere Tränen mit den ihren. Wir baten und beschworen Manuel, von seinem Entschluss abzustehen. Und Manuel, der brave Kerl, verzichtete auf seine Seelaufbahn und opferte seine Wünsche, seine astronomischen und Navigationsneigungen, der Rücksicht auf seine Familie. "Meine Stimme ist hin," sagte er "ich will wenigstens Lektionen geben!". So geschah es auch, und bald darauf bezog Manuel Garcia als Gesangslehrer mit uns ein Haus in der Rue des Trois Frères am Pariser Konservatorium, verließ Paris, als er seine Frau verloren hatte, und zog nach London, wo er sich neuerlich verehelichte. Er hat zwei Töchter; eine von ihnen ist verheiratet.

Er arbeitete noch mit 90 Jahren: Er begann von neuem die Fuge zu studieren. Ja, ich bin nicht einmal sicher, ob er nicht noch jetzt Unterricht gibt. Er ist so jung geblieben! Das Alter hat ihn nur gebeugt, ohne im Geringsten seine Rüstigkeit und seinen Geist zu beeinträchtigen. Und, was ich Ihnen noch sagen wollte! Wir sehen uns oft! Das letzte Mal kam er vor fünf Jahren nach Paris - auf der Rückkehr von einer Reise in Ägypten! Seitdem hat er England allerdings nicht mehr verlassen. Es ist jetzt offenbar an mir die Reihe, ihn an seinem hundertsten Geburtstag zu besuchen."

"Und Sie werden nach London reisen?" fragte der Interviewer.

"Gewiss! Wenn ich wohl bin!" antwortete die alte Dame. "Mme. Pauline Viardot-Garcia wird mit 84 Jahren über den Kanal La Manche fahren, wie ihr Bruder Manuel mit 95 Jahren über das blaue Mittelmeer nach Ägypten!"

Noch mehr interessiert es, was Professor Julius Stockhausen in Frankfurt a. M. über den Unterricht erzählt, den er bei Manuel Garcia genossen. Der berühmte Sangesmeister schreibt darüber in der von Otto Leßmann herausgegebenen Allgemeinen Musikzeitung (Berlin-Charlottenburg): Wie ich zu meinem Lehrer gekommen bin, will ich zunächst erwähnen. Meine Eltern, Franz Stockhausen aus Köln a. Rh. und Margarethe Schmuck aus Gebweiler im Elsass, eine hervorragende Konzertsängerin, ruhten sich im Jahre 1846 im Elsass von den anstrengenden Konzerttourneen in England aus. Sie beschlossen, da ich nahezu 20 Jahre zählte, mich nach Paris zu schicken, damit ich an der Académie royale de musique Klavier und Harmonie studiere, neben dem Gesang, wozu ich schon als Kind - nach Aussage der Mutter - besonders beanlagt war. Ich sang ihr ein damals sehr beliebtes Lied "le lac" von Lamartine, von Niedermeyer komponiert; der Vater begleitete mich mit der Harfe; meine Mutter war zufrieden und sagte: "Jules deviendra un chanteur". Dies liebe Zeugnis gab mir Mut, und ich hab mich stets bemüht, das Urteil der Mutter zu bewahrheiten.

Den berühmten Lehrer Emanuel Garcia lernte ich erst 1848 kennen. Das Jahr fing unruhig an; die Revolution war am 24. Februar ausgebrochen; ich musste für einen abwesenden Freund Alexandre Legentil, dessen Eltern mich in ihrem Hause gütig aufgenommen hatten, in die Nationalgarde als "Ersatzmann" eintreten. Als solcher stellte ich mich, mit Sack und Pack, dem Meister vor. Er empfing mich sehr freundlich; eine Verwandte von mir, Frau Reiter aus Basel, die er als Sängerin ausgebildet, mochte wohl empfehlende Worte für mich gesprochen haben.

Was mir bei der ersten Begegnung mit dem Meister auffiel, war sein fester Blick, die Gelenkigkeit seiner Glieder und der Rhythmus seines Ganges. Er war von mittlerer Größe damals, 43 Jahre alt; sein Wesen zuvorkommend, sein Organ von einem freundlich einnehmenden Klang. Als ich den Meister nun fragte, wie sein Unterricht honoriert werden, sage er:

"Combien voulez-vous me donner? Je n'ai plus d'élèves, ils ont tous fui la révolution."

"Aber, verehrter Meister, Sie haben eben einen Tenor geprüft, der eine kräftige Stimme hat!"

"Ja, aber er hat kein Gehör," erwiderte er, als ich den Tenor fragte, was er für einen Beruf habe, antwortete er: "je suis tourneur" -

"Eh bien, lui dis-je, tournez, tournez encore; pas d'oreille, pas de chanteur".

Meine Lage als Nationalgardist und Sohn einer Künstlerfamilie schien ihn zu interessieren; er verlangte nur 10 Francs für die Stunde. Das Studium fing nach wenigen Tagen in der Uniform an; aber das Biwakieren in Winternächten war meiner jungen Stimme schädlich, so sehr, dass ich wenige Wochen nachher pausieren musste. Ich kämpfte sechs Wochen lang gegen Katarrh und Angegriffenheit der Stimme; Anfang Mai aber kam eine glückliche Wendung. Ich erhielt zum 26. desselben Monates eine Einladung nach Basel, um den "Elias" von Mendelssohn zu singen. Mein Lehrer war mit der schönen Aufgabe einverstanden; er ging sogar die schwere Partie mit mir durch und zeigte mir, wie ich, ohne die Stimme anzustrengen, in kurzer Zeit die Hauptrolle lernen könne. Die Basler merkten in der Tat nichts von dem schlimmen Einfluss des militärischen Dienstes in Paris. Bei meiner Rückkehr fingen die Tonbildungsstudien an. Ich hatte nun Gelegenheit, den Unterschied zwischen der französischen und der italienischen Gesangsmethode kennen zu lernen. Der Lehrer am Conservatoire, Monsieur Ponchard, hatte die Studienzeit, etwa achtzehn Monate zwischen 1846 bis 1848, durch Vokalisen von Bordogni und Arietten angenehm ausgefüllt, aber meine Stimme war nicht größer geworden. Emanuel Garcia lehrte mich zunächst die Kunst zu atmen und die Vokalisation auf den sieben italienischen Selbstlauten: A, offenes und geschlossenes E, I, offenes und geschlossenes O und U. "Wer einen schönen großen Ton haben will," sagte er, "muss die Atemwerkzeuge ausbilden" - das war des Lehrers größte Sorge! Der halbe Atem aber, mezzo respiro, kam vor dem vollen zur Sprache. Er lehrte zuerst mit geschlossenem Munde durch die Nase kurz atmen. War der Schüler nicht ruhig genug, so ließ er ihn durch einen kleinen Spalt zwischen den Lippen atmen, und so auch wieder tonlos die Luft langsam ausblasen, indem der Schüler die Kante einer Visitenkarte an den Mund hielt. So füllte und leerte sich die Lunge bedeutend langsamer noch als beim Einatmen durch die Nase, und doch kräftigten sich die Brustmuskeln mehr und mehr, ohne die Stimmbänder in Mitleidenschaft zu ziehen. So gelangte ich mühelos zu dem halben Atem, der in schnellen Tempi so unentbehrlich ist. Es gibt Fälle, in denen man singend während der Bildung eines Lippenlautes, also mit geschlossenem Munde, atmen muss, um mit der Luft auszukommen. Das Fundamentalprinzip des Meisters war, dem Schüler einen schönen, freien Ton beizubringen, ohne die Stimme durch falsche Zungen- und Schlundbewegungen anzustrengen. Er lehrte die Kunst des Atmens in allen Varianten erkennen und anwenden, indem man den Ton bald frei durch die Stimmritze ziehen ließ, bald ihm den Weg versperrte, wie z.B. bei dem vielbesprochenen, geschmähten Glottisschlag (coup de glotte), der, wie das Portamento, das Martellato oder Markieren des Tones, wie das Staccato mit dem leichten Glottisschlag auf jeder Note, wie die angehauchte Vokalisation auf einer Note, schöne Ausdrucksmittel im Kunstgesang bedeuten.

Wie streng hat man sich über diesen Garciaschen Glottisschlag geäußert! Hat nicht der Meister selbst in einer späteren Ausgabe seines Werkes "L'art du chant"  sich dahin ausgesprochen, dass die Kraft des Stimmeinsatzes sich dem Ausdruck des Textes anpassen müsse? Man braucht oft einen festen Einsatz des Stimmtones als dramatisches Ausdrucksmittel, siehe in Beethovens "Fidelio" das Rezitativ: "Abscheulicher, wo eilst du hin?" oder in Webers "Freischütz" die Arie: "All' meine Pulse schlagen!" - da ist der coup de glotte gut angebracht; auch bei dem Einsatz des Tones bei raschen Skalen, Läufen und Verzierungen muss derselbe sehr deutlich, musikalisch sicher sein, so lehrt der Meister, um das Suchen des Tones (cercare la nota) zu vermeiden. Viele Schüler übertrieben aber dieses Studium des festen Toneinsatzes, wodurch sie ihre jungen Stimmen ermüdeten; sie wurden hart, kreischend; das sind unnütze, ja gefährliche Bestrebungen. Man lasse lieber die Natur walten, denn dem stärkeren Luftstrom stellt sich naturgemäß bei dem Anwachsen des Tones mehr Stimmbandbreite entgegen, wie etwa auf den Mundlippen, wenn man nach dem tönenden Konsonanten "m" ein "b", dann ein "p" aussprechen soll. So wird es wohl mit den Stimmlippen im Kehlkopf zugehen, wenn man vom schwächeren Register zum stärkeren übergeht. Statt der Konsonanten "m, b, p", die natürlich nach der Lautiermethode auszusprechen sind, denke man sich piano, crescendo und forte (Vergleiche auch die Mundflöte im u-ü-i-Register, um in beiden Fällen, de visa, die Wirkung der Verengungen in der Stimmritze zu verstehen.). Die drei Tätigkeiten geschehen instinktiv, d.h. weil wir pfeifen, sprechen oder singen wollen. Das erklärt Garcia in den "Observations physiologiques sur la voix humaine" (1855, Paris, Masson, libraire) durch ein Naturgesetz, welches die Lehre der Tonbildung wesentlich vereinfacht. "La voix est formée uniquement par les compressions e les dilatations que l'air éprouve lorsque la glotte alternativement l'arrête on lui livre passage; en d'autres termes: la voix est duc aux explosions successives et régulières l'air produit à la sortie de la glotte, quels qu'en soient les timbres e l'intensité."  Zu deutsch: "Die Stimme wird einzig und allein durch die Zusammenpressung und Ausdehnung, die die Luft erleidet, gebildet, wenn die Stimmritze sie abwechselnd anhält oder durchziehen lässt; mit anderen Worten: die Stimme ist das Ergebnis regelmäßig aufeinander folgender Schwingungen der Luft - welcher Art auch ihre Kraft oder Klangfarbe sei."  (Hoch lebe der Meister!) Nach dieser Erklärung wären alle Kommentare über Glottisschlag und Register überflüssig. Die Natur hat dafür gesorgt, dass bei gesunden Stimmen auch drei sogenannte Register wie "eines"  klingen. Man vergesse aber nicht Garcias Ausspruch über den zu Anfang erwähnten unmusikalischen Dreher - point d'oreille, point de chanteurs. Das "Ohr"  entscheidet über die Reinheit der Tonbildung. Nicht jedem, der eine gute Stimme hat, ist auch ein gutes Gehör verliehen; ohne dies keine Sänger!

Zuletzt lehrte Garcia den Schwellton, den er zur schönsten Entfaltung durch die Anwendung des dunklen Klanggepräges brachte. "Refoulez, refoulez donc!" - "Stellen Sie den Kehlkopf tiefer!" mahnte der Lehrer, wenn die Stimme durch die hohe Lage des Schildknorpels im Schwellton nicht genügend heranwuchs, oder wenn in einer ernsten Arie mein Ton gar zu jugendlich klang. Er konnte recht böse werden über den Mangel an Haltung des Kehlkopfes, verließ auch zuweilen das Klavier und trommelte ungeduldig ans Fenster, bis es besser wurde. Lange aber dauerte sein Unmut nicht.

"Gehen wir spazieren," sagte er plötzlich. "Da Sie so gern hell singen, wo es dunkel klingen soll, müssen Sie den Triller sehr schön ausführen können, davon wollen wir uns unterhalten."

"O, den kann ich noch gar nicht," antwortete ich verlegen.

"Nun, ich will Ihnen zeigen, wie man einen Triller lernt."

Der Meister stand an der nächsten Straßenecke still, öffnete den Mund und machte, ohne einen Laut von sich zu geben, die Bewegungen des Kehlkopfes bei der Ausführung des Trillers. Der Mund blieb offen, der Kehlkopf ging auf und nieder, der Atem hielt lange an.

"So," sagte er, "wenn Sie diese Gymnastik machen, werden Sie bald einen schönen Triller haben; hüten Sie sich aber, bei den ersten Versuchen Terzen- und Quartentriller zu singen, die wird man nie wieder brauchen. Studieren Sie lieber den alten Triller des Giulio Caccini, nämlich die angehauchten Noten auf einer Stufe, erst aber meinen stummen Triller. Sie schonen damit Ihre Stimme."

Er hatte Recht! Ich lernte bald den musikalischen Triller in großen und kleinen Sekunden ausführen.

Was nun die Hauptsache betrifft, den Vortrag der Musikstücke und Rollen, konnte man sich keinen anregenderen, geistvolleren Lehrer wünschen als Manuel Garcia. Wie er z.B. im "Don Juan"  im Duett mit Zerline den zärtlichen Liebhaber, den feurigen Verführer, - mit Donna Elvira den spöttischen Gatten oder den unverschämten Diener Leporello charakterisierte, war erstaunlich. Er wusste, trotz seines tremolierenden Organs, die Rolle des Don Juan so einschmeichelnd, so bestrickend zu gestalten, dass es einem um Zerline bange wurde. Die Modulationsfähigkeit seiner Stimme, seiner Deklamation, die Lichtblicke und Schatten in der Färbung seines Vortrages ansprechend, überzeugend wie die Farben eines guten Malers.

 

Gartner, Hans (Gärtner, Johann Baptist/John) *18.(19.)10.1895 Wien, † 25.05.1959 Salzburg. Stimmbildner, Musiker, Musik-Professor (08.01.-25.05.59). Eltern: Eduard Gärtner, Leopoldine, geb. Höberth. Am 01.12.1930 vermählte er sich mit Wilhelmine (Mimi) Gärtner, geb. Bachner, verw. Oskrkany (*21.05.1900). Lehrer: 1) Gesang: Eduard Gärtner (sein Vater), 2) Klavier: Teodor Leschetitzky (dieser Enkelschüler von Beethoven). Schüler: Eleanor Steber, Felix Rolke, Robert Merrill und Roberta Peters. Schauspieler, Nr. 22885; 1918: Bukarest, Deutsches Theater (National-Theater); 1919: Oberschlesisches Stadttheater Beuthen; auch 1920-1922 als Schauspieler aktiv. Bis 1959 am Mozarteum in Salzburg tätig. Begräbnisstätte: Gruft Nr. 54 von St. Peter in Salzburg (nach 50 m auf der rechten Seite), zusammen mit Michael Haydn und Angehörigen der Familie Mozart. Zu seiner Beerdigung erschien der halbe Chor der Metropolitan Opera New York und sang das Requiem.

 

Gastwirt [von Reinhard Vollhardt] Kreuzkirche Dresden: Der Kantor Sebaldus Baumann aus Nürnberg, 1540-1553, wurde, nachdem ihm der Rat gekündigt, Tenorist in der kurfürstlichen Capelle, schließlich Gastwirt zum Güldenen Löwen.

 

Gaumen [von Lilli Lehmann] Gaumenempfindung  wird uns durch das Heben der weichsten Stelle hinter der Nase besonders klar. Sie liegt sehr weit hinten; man taste einmal vorsichtig dahin. An dieser kleinen Stelle liegt unermesslich Wichtiges für den Sänger. An ihrem Heben die ganze Kopfhöhlenresonanz, die Kopfstimme also. Durch ihr Heben verkleinert sich das Gaumensegel. In normaler Lage erlaubt sie dem Segel, sich zu blähen, den Rachen gegen die Kopfhöhlen zu verschließen, um der Bruststimme, d. h. dem Atem die vollständige Ausbeutung der Gaumenresonanz zu ermöglichen. Sobald sich der weiche Gaumen unter der Nase senkt, bietet er der Mittellage und Brust einen Resonanzpunkt, indem er durch sein Senken den Obertönen das Mitklingen gegen die Nase gestattet.

Gaumen und Zunge verrichten also die ganze Arbeit im Gebiet der Resonanzen, die durch sie verbunden und getrennt werden können, aber stets und immer eng aneinandergereiht auf allen Tönen, in allen Stimmgattungen zusammenwirken müssen.

Die tiefste Bruststimme des Basses - die höchsten Kopftöne des Soprans sind also die beiden Pole, zwischen denen die ganze Stimmskala aller Stimmen aufgebaut werden kann. Man ersieht daraus, dass mit einiger Geschicklichkeit und gutem Willen jede Stimme einer großen Ausdehnung fähig wäre.

 

Gaumenklang [von Ferdinand Sieber] Tonbildungsfehler: gemeiner, zerfahrener Klang der Stimme; Ursache: unruhige Haltung der Zunge: Bewegung nach rückwärts und vorwärts, hin und her, sie stellt zugleich die Spitze empor, so dass der Tonstrahl nicht konzentriert an den Anschlagepunkt am harten Gaumen gelangen kann, sondern sich zerteilen und mehr oder weniger hinten am Gaumen brechen muss, wie es ihm die Lage der Zunge gestattet.

 

Gaumensegel [von Hugo Goldschmidt] In den Vokalen unserer neuhochdeutschen Umgangssprache sperrt das Gaumensegel die Verbindung zum Nasenraum ab, indem es an die Rachenwand angedrückt wird; verbleibt es dagegen in der Indifferenz-Lage und hängt schlaff herab, so bleibt die Verbindung der Mundhöhle nach den Choanen, dem Nasenraum, geöffnet und der hall  besteht nun aus zwei miteinander verbundenen Räumen: der Mund- und Nasenhöhle. Diese Stellung kann das Gaumensegel bei jedem Vokal einnehmen, aber die Grade der Nasalierung können verschiedene sein, mit je größerer oder geringerer Energie das Gaumensegel der Rachenwand sich nähert. Je größer die Energie der Rückwärtsbewegung, desto kleiner der Verbindungsraum zu den Choanen, desto reiner der Klang, je geringer die Energie der Rückwärtsbewegung, desto größer der Verbindungsraum zu den Choanen, desto nasaler der Klang.

 

Geläufigkeit [von Lilli Lehmann] Sänger und Sängerinnen, denen Triller und Geläufigkeit fehlen, kommen mir vor wie Pferde, ohne Schwänze. Beides gehört zur Gesangskunst und ist von ihr unzertrennlich. Ob der Sänger sie anzuwenden hat, ob nicht, ist ganz gleichgültig, er muss beides können. Der Lehrer, der seine Schüler es weder lehrt noch lehren kann, ist ein schlechter Lehrer; der Schüler, der trotz der dringendsten Ermahnungen seines Lehrers die Übungen vernachlässigt, die ihm dazu verhelfen können und sie nicht fertig bringt, ist ein Stümper. Es gibt keine Entschuldigung dafür als Talentlosigkeit oder Faulheit, beide sind für höhere Kunstzwecke unbrauchbar. Dazu darf man noch solche verurteilen, die einen sogenannten Sprachfehler an sich haben, der aber nur bodenlose Zungenfaulheit bedeutet. Ich nenne sie Zuzler, weil sie bei jedem s oder sch oder z mit der Zunge hängen bleiben und verurteile sie darum zum Tode - in der Gesangskunst.

Um der Stimme Geläufigkeit zu verleihen, übt man erst langsam, dann schnell und schneller Figuren von 5, 6, 7, 8 Tönen usw. herauf und herunter.

Hat man die langsame große Skala gut mit der nasalen Verbindung inne, entwickelt sich die Gewandtheit für die schnellen Figuren ganz von selbst, weil sie auf derselben Grundlage beruhen wie diese und ohne deren Vorübung gar nie verstanden werden können.

Man stellt den Gaumen nasal ein, Kehlkopf und Zunge auf eji, spannt Brustmuskeln und Zwerchfell gegeneinander und schlägt den untersten Ton schon mit dem Höhenziel des höchsten Tones der Figur an. Man treibt den Atem durch starkes Aussprechen gegen die Brustmuskeln und geht nun, ohne das Nasale ganz aufzulösen, mit großer Spannfestigkeit die Tonleiter hinauf, indem man sich vorne den Weg des Kehlkopfes nach hinunter denkt.

Beim Heruntergehen behält man die Form des obersten Tones bei, auch wenn man noch soviel hinab müsste; stellt also eji noch viel enger aneinander gegen die Nase, so dass die Tonleiter keine Stufen, sondern eine enge Bahn in der Richtung nach oben geht, deren oberster Ton die Garantie übernimmt, dass die Töne eng gebunden an der Nase bleiben und unterwegs sich weder Stockung noch Absturz ereignen können.

Die festgespannte Resonanzform muss durch Weichheit der Organe jedem Tongedanken und mit ihm dem Atem willigst gehorchen. Der Atemdrang gegen die Brust darf sich nicht abschwächen, sondern muss unaufhörlich sein.

Schon auf dem untersten Ton muss die Tonhöhe des obersten enthalten sein; so stark sind die Gedanken auf die ganze Figur beim Ansetzen eines einzigen Tones konzentriert. Durch   i-e-u sind Kehlkopf-, Zungen- und Gaumenposition schon auf dem tiefsten Tone solche, dass die Atemwege für die höchsten Töne gegen die Kopfhöhlen bereits frei sind.

Je höher und brillanter die Figuren steigen sollen, je mehr Atem, e und ji bedürfen sie, welche die Kopfwege frei halten. Wenn aber Kehlkopf und Zungenlage begrenzt werden, muss man, um den Kehlkopf tiefer zu stellen, zum Hilfsvokal u die Zuflucht nehmen.

Ein Lauf oder irgendeine Figur darf sich niemals so anhören: ah ha ha ha ha usw., sondern muss nach oben nasal, abgestumpft gebunden sein und darf höchstens - weil der Atem unablässig sehr stark und sehr eng strömen muss - unterhalb ein h zugesetzt bekommen, das uns des starken Ausströmens des Atems versichert und nur dem Zweigstrom gegen die Kopfhöhlen zugute kommt. Manchmal hält man auf dem Grundton einer Figur den an das Nasale konzentrierten Atem fest und lässt - ohne Unterbrechung des Nasalen, die Kopftöne resp. den Atem, der gegen die Kopfhöhlen schwingt - die Figur allein beendigen. Dabei ist die Muskelkontraktion des Halses, der Zunge und des Gaumens sehr stark, d.h. die Atempresse erstarrt und der abnehmende Atem verrichtet die Arbeit allein.

Auch der Doppelschlag basiert auf der konsequenten Verbindung der Tonfigur am Nasalen mit dem Zwerchfell, das man durch Aussprechen des u gegen die Nase erreicht. Durch u wird der Kehlkopf unter der Zunge weich gestellt; mit j die Verbindung aller Vokale untereinander aufrechterhalten, es ist das bewegliche Scharnier der geschlossenen Form. Jeder Vokal steht zur Hilfe bereit. Zum Höhersteigen e und i, zum Abwärtsgehen u. In der abgeschlossenen Form vollziehen sie jeden Tonformwechsel schnell und weich, ohne sie je ganz aufzulösen.

Mit vereinten Kräften und besonderer Mithilfe eines oder des anderen Organs lassen sich unzählige Nuancen durch bewusstes Üben erreichen; im piano, forte, mezza di voce, dunkler, heller Färbung, Geschwindigkeit oder Breite in einer Form, mit einem Atemzug. Auf solche Art kann sich jeder gute Geläufigkeit aneignen und sie, wenn er geschickt ist, auch im ernsten Gesang gut verwerten.

Wie oft habe ich da ha ha ha ha haa ha ha ha ha haa usw., ein elendes Herunterpurzeln von verschiedenen Tönen anstatt einer gebundenen Ausschmückung der Kantilene gehört. Meist ignorieren sie die Sänger, weil sie selten jemand mehr machen kann, und doch sind sie heute noch von größter Wichtigkeit. (Siehe Tristan.)

 

Gerlach, Elias  1593-1602 Kantor in Meissen. 1602 wurde er zwangsweise nach Ziegenrück versetzt, pachtete später die Domschenke.

 

Gesang [von Aurelius Augustinus, um 400] Wer hat einen so feinen Sinn, dass er ohne große Mühe zu unterscheiden vermag, wie der Ton früher ist als der Gesang, weil der Gesang ein gestalteter Ton ist und freilich schon etwas da sein kann, was noch nicht gestaltet ist, wie aber das nicht gestaltet werden kann, was überhaupt nicht ist? So ist die Materie früher als das, was daraus gemacht wird; aber nicht deswegen ist sie früher, weil sie die wirkende Ursache ist, da sie vielmehr selbst erst wird; auch ist sie nicht früher in der Ordnung der Zeit. Denn wir bringen nicht zuerst ohne Gesang ungestaltete Töne hervor und bilden dann später daraus die Gestalt des Gesanges, wie wir aus Brettern einen Kasten, aus Silber ein Gefäß machen. Stoffe dieser Art gehen, auch der Zeit nach, der Gestalt der Dinge voran, die daraus gemacht werden; aber bei dem Gesange verhält es sich nicht so; denn wenn gesungen wird, hört man den Ton des Gesanges, aber er ertönt nicht zuvor in ungestalteter Weise, um dann zum Gesange sich zu bilden. Was vorher irgendwie ertönte, das geht vorüber, und man wird an ihm nichts finden, was man zurücknehmen und mit Kunst ordnen könnte; deshalb beruht der Gesang in seinen Tönen, da seine Töne sein Stoff sind. Denn dieser wird nicht gestaltet, damit er zum Gesange werde, und deshalb, wie gesagt, ist der Stoff des Tones früher als die Gestalt des Gesanges, nicht aber früher durch die wirkende Ursache, denn nicht der Ton erzeugt den Gesang, sondern durch den Körper ist er der Seele untertan, damit sie daraus den Gesang bilde. Auch der Zeit nach nicht früher, da er zugleich mit dem Gesange zutage tritt; auch nicht dem Werte nach, denn der Ton hat keinen höheren Wert als der Gesang, weil der Gesang nicht bloß ein Ton ist, sondern ein melodischer Ton. Aber früher dem Ursprunge nach; denn der Gesang wird nicht gebildet, damit der Ton sei, sondern der Ton, damit der Gesang sei.

 

Gesang der Deutschen [von Johann Adam Hiller, 1798] Jedermann singt, und der größte Teil singt - schlecht. Ein Kompliment, das ich meinen lieben Landsleuten, den Deutschen (denn mit ihnen rede ich eigentlich), sehr ungern mache: nicht sowohl, weil ich den Vorwurf der Unhöflichkeit vermeiden möchte, als vielmehr, weil ich eine liebenswürdige Eigenschaft mehr an ihnen zu rühmen wüsste, wenn sich das Gegenteil mit größerer Zuverlässigkeit sagen ließe.

Die Ursache des meistenteils schlechten Gesanges der Deutschen suche man aber in nichts anderem, als darin, dass man ihn nicht genug und nicht gehörig studiert. Genie zur Musik überhaupt, Anlage zum Gesang, d.i. Stimme, Biegsamkeit der Kehle, Einsicht und Gefühl wird man ihnen doch nicht ganz absprechen wollen? Oder wenn es ja Blödsinnige geben sollte, die darüber einigen Zweifel äußerten, so würden es wohl größtenteils ihre eigenen ausgearteten Kinder sein, die sich ihres Vaterlandes schämen und ihrem Herzen nie erlauben, einheimische Produkte gut zu finden; denn die Ausländer selbst sind von ihrer ehemaligen Verachtung der deutschen Künstler sehr zurückgekommen. Die Vorzüge unserer Virtuosen sind längst von ihnen erkannt und eingeräumt. Den berühmtesten deutschen Komponisten lassen selbst die Italiener alle Gerechtigkeit widerfahren und schätzen sie nicht allein den ihrigen gleich, sondern ziehen sie ihnen öfters vor.

Aber im Gesang - ja freilich, im Gesang, stehen die Deutschen gegen die Italiener noch sehr zurück; wenigstens ist die Zahl der gut Singenden unter jenen lange so groß noch nicht, als unter diesen. Eine Täuberin, eine Mara, ein Raff, und noch einige andere, die teils in Italien selbst oder hin und wieder in Kapellen angetroffen werden, nebst verschiedenen Dilettanten, unter denen sich sehr erhabene Personen befinden, welche die Ehrfurcht zu nennen verbietet, können zwar die Ehre der Nation in diesem Stück retten; aber mehr beweisen sie doch nicht, als dass es gar wohl möglich sei, auch unter den Deutschen gute Sänger und Sängerinnen in hinlänglicher Anzahl zu haben, wenn man nur auf einheimische Talente aufmerksamer, und für ihre Ausbildung besorgter sein wollte.

Es ist hier der Ort nicht, Vorschläge zu dieser Sache im Großen zu tun; aber zu einiger Verbesserung derselben im Kleinen, nach den mir von Gott verliehenen Kräften, beizutragen, halte ich um so viel mehr für meine Pflicht, da die Musik von Jugend an mein Vergnügen, und zu allen Zeiten das Mittel gewesen, mich in der Welt fortzubringen; nun aber, seit einigen Jahren, mein Hauptgeschäft geworden ist. Ich weiß es aus der Erfahrung, was für schlechten Händen sich bisweilen ein junger lehrbegieriger Mensch, aus Mangel besserer Gelegenheit, überlässt. Ich musste mit dem Clavierspielen in meinem zwanzigsten Jahre noch einmal von vorn anfangen, und würde ein Gleiches in Ansehung der Violine gern getan haben, wenn meine damalige Verfassung erlaubt hätte, einigen Aufwand dafür zu machen. Im Gesang habe ich, von meinem zwölften Jahre an, den Unterricht, wie er auf Schulen gewöhnlich ist, mit anderen gemeinschaftlich genossen. Treffen und Takt war freilich wohl das Ziel, nach welchem wir laufen mussten; aber der Weg war so unsicher und holprig, dass viel Zeit dazu erfordert war, ehe man ihn ohne Stolpern gehen lernte. Die nach der Stufenfolge der Tonleiter an eine Tafel geschriebenen Exempel dieses oder jenes Intervalls waren immer bald gelernt; aber wenn eines dieser Intervalle außer der Reihe angegeben werden sollte, so ging es uns, wie dem ehrlichen Korporal Trim beim Tristram Shandy, der das vierte Gebot sehr gut herzusagen wusste; aber nur, wenn er beim ersten anfangen durfte. Vom guten Gebrauch der Stimme, vom bequemen Atemholen, von einer reinen und deutlichen Aussprache, so wesentliche Stücke sie auch beim Gesang sind, war wenig oder nichts erwähnt.

Wenn dies nun die Pflanzgärten sind, in welchen Sänger gezogen werden sollen, so muss man sich nicht wundern, dass der Gesang der Deutschen noch eine so schlechte Figur macht; gleichwohl sind mir keine anderen öffentlichen Institute bekannt, oder ihre Einrichtung ist gewiss ebenso unbedeutend.

Beim Studieren des Gesanges auf Schulen findet sich auch noch das Mangelhafte, dass das weibliche Geschlecht gar keinen Anteil daran hat. Der nächste Endzweck ist daselbst, Sänger für die Kirche zu ziehen; und einem albernen Vorurteil zufolge schließt man Frauenzimmer von einer Sache aus, deren vornehmste Zierde sie sein könnten, und zu der sie gewiss ebenso viel Recht haben, als jene überschrienen und fistulierenden Sopra- oder Altstimmen bärtiger oder unbärtiger Knaben. Aber wenn nun auch Frauenzimmer zur Kirchenmusik nicht gezogen werden könnten, sollte ihnen denn die Geschicklichkeit in der Musik, und besonders im Singen, nicht auch außer der Kirche nützen? Hätte nicht manche gute Sängerin schon können gezogen werden, die ihr Glück in der Welt gefunden, und ihrem Vaterlande Ehre gemacht hätte? Und wenn das ist, warum vernachlässigt man denn den musikalischen Unterricht so gänzlich beim weiblichen Geschlecht? - Es wird nicht bezahlt. - O, meine Freunde, wenn wir in der Welt nichts weiter tun wollen, als was bezahlt wird, so sind wir sehr wenig nütz gewesen! Wer sich damit der Arbeit zu entziehen sucht, der klage nicht, dass sein Amt schlecht ist; er ist gewiss ein noch schlechteres Amt nicht wert.

Als Doktor Burney auf seiner Reise durch Deutschland hierher nach Leipzig kam, wunderte er sich, dass er so wenig gute Sänger unter den Deutschen fände, da er doch gehört hätte, dass in allen großen und kleinen Städten Singschulen wären; aber Singschulen, in dem Verstande wie sie der Doktor nahm, sind von unseren lateinischen Stadtschulen, in welchen man freilich auch singen lernen soll, sehr unterschieden. Die italienischen Konservatorien schwebten ihm immer noch in den Gedanken; aber diese in Deutschland zu suchen, war nun wohl ein Irrtum.

Wenn ich hier über das Mangelhafte der öffentlichen Schulen, in Ansehung des musikalischen Unterrichts klage, so will ich das nicht so durchgängig von allen verstanden wissen. Es sind mir geschickte und rechtschaffene Männer in musikalischen Schulämtern bekannt, die es an Fleiß und Eifer nicht fehlen lassen, und gewiss mehr tun, als ihnen ein oft unerkenntliches Publikum verdankt. Bei anderen weiß ich alle die Hindernisse, die ihnen in den Weg gelegt werden, dass sie nie ihre Absichten erreichen können. Die ersteren wird der Himmel belohnen, und vernünftige Menschen werden die letzteren bedauern. Diese Männer sind es nicht, die ich durch mein Werk belehren will; sie können zum Teil meine Lehrer sein, und ihre Anmerkungen, die sie mir über gegenwärtige Arbeit machen wollen, werde ich mit Vergnügen zu nutzen suchen.

 

Gesangskunst [von Jenny Lind, 1856] Wenn es mir erlaubt wäre, meine Ansicht in Betreff der Miss M. auszusprechen, so würde es mein Rat sein, dass sie nicht nach Italien gehen solle, wie ihr einige Freunde empfohlen haben. Meine bescheidene Meinung ist, dass die neuerlich angenommene Methode des italienischen Gesanges nicht die naturgemäßeste und gesündeste ist. Der Beweis dafür ist der, dass heutzutage nur wenige von den Sängern ihre Stimme zu erhalten verstehen, nachdem sie einmal in Italien gewesen sind und dort mehr Ton aus ihren Lungen zu zwingen lernten, als die Natur wollte, dass sie sollten. Eben dies ist der Grund, weshalb ich nie nach Italien ging. Nachdem ich die anderen italienischen Sänger gehört hatte, war ich vollkommen überzeugt, dass meine Stimme ihre Elastizität und ihren Charakter als hoher Sopran nicht würde behaupten können, hätte ich ihr die forcierte Gesangsweise zugemutet, wie sie in Italien durch die häufige Aufführung der Opern des Signor Verdi fast unvermeidlich geworden ist. Verdis Musik ist die gefährlichste für alle singenden Künstler und wird so lange fortfahren es zu sein, bis die Künstler selbst ihr eigenes Interesse sowohl, als das der Schönheit besser verstehen lernen, und es verweigern, sich einem Komponisten zu opfern, welcher keineswegs die exquisite, unübertreffliche Schönheit echt italienischer Gesangsweise versteht. Miss M. wird sowohl in Paris als in London Lehrer finden, welche vollkommen fähig sind, ihr alles Nötige zu lehren. Ein Jahr in Paris und London wird sie befähigen, über ihre eigenen Fortschritte zu urteilen, und sie geeignet machen für einen Aufenthalt von sechs Monaten oder einem Jahre in Deutschland, dem Lande wahrer Musik, in welchem allein der wahre Künstler den echten Stempel der Kunst erlangen kann. Die deutsche Sprache bietet dem Sänger vielleicht weniger Vorzüglichkeit, denn sie ist sehr hart zum Aussprechen und harmoniert oft nicht mit dem Charakter des Tones. Wenn man z.B. statt des italienischen "dolore" das deutsche "Schmerz" singt, so sind die Resultate sehr verschieden und unendlich zum Vorteil des ersteren. Aber zu wünschen, ein guter Künstler zu werden mit einem guten künstlerischen Gewissen, und Deutschland nicht kennen und seine musikalischen Meister, würde ein eben so großer Verlust für den Künstler als für das Publikum sein, vor welchem wir immer einen richtigen Eindruck zu machen wünschen sollten. Ich weiß, was Deutschland für einen Künstler ist, und bei all meiner Verehrung für die echte italienische Gesangsschule glaube ich wirklich, dass, hätte ich nicht die deutsche Musik als Grundlage genommen, meine Kenntnis vom italienischen Gesang mich nie befriedigt haben würde, und dass meine musikalischen Fähigkeiten unentwickelt und unfruchtbar geblieben wären. Was ich also der Miss M. einzureden ernstlich wünsche, ist, dass sie es versuchen möge, italienischen Gesang mit deutscher Musik zu vereinigen, da das eine so notwenig ist, als das andere; dass sie es versuchen solle, falsches Pathos zu vermeiden, da dasselbe Gesetz, in seiner vollsten Ausdehnung, in der Kunst gilt, wie im Leben; dass sie wahr sei gegen sich selbst, dass sie versuche, die Schönheit der Wahrheit zu erkennen im einfachsten Liede, wie in der schwierigsten Arie: dann ist das große Geheimnis ihr eigen, dann wird der mächtigste Beschützer gegen Neid und Bosheit auf ihrer Seite sein.

 

Gesangslehrer  [siehe "Stimmbildner"]

 

Gesangsunterricht (1) [von Richard Wagner] Es war ganz natürlich, dass eine der jungen Choristinnen, welchen ich täglich ihre Stimmen einzustudieren hatte, meine Augen auf sich zu ziehen verstand. Therese Ringelmann, eines Totengräbers Tochter, verführte mich durch ihre schöne Sopranstimme zu der Annahme, sie zur großen Sängerin bilden zu müssen. Als ich im Sommer allein zurückgeblieben war, erteilte ich Theresen regelmäßigen Gesangsunterricht, nach einer mir bis jetzt noch unklar gebliebenen Methode.

(2) [von Michael Praetorius, 1619] Wie die Knaben so vor andern sonderbare Lust und Liebe zum singen tragen uff jetzige Italianische Manier zu informiren und zu unterrichten seyn: Gleich wie eines Oratoris Ampt ist, nicht allein eine Oration mit schönen anmutigen lebhafftigen Worten unnd herrlichen Figuris zu zieren, sondern auch recht zu pronunciiren, und die affectus zu moviren: In dem er bald die Stimmen erhebet, bald sincken lesset, bald mit mächtiger und sanffter, bald mit gantzer und voller Stimme redet: Also ist eines Musicanten nicht allein singen, besondern Künstlich und anmütig singen: Damit das Herz der Zuhörer gerühret, und die affectus beweget werden, und also der Gesang seine Endschafft, dazu er gemacht und dahin er gerichtet, erreichen möge. Dann ein Sänger muß nicht allein mit einer herrlichen Stimme von Natur; sondern auch mit gutem Verstande und vollkommener Wissenschafft der Music begabet und erfahren seyn: Daß er wisse die Accentus fein artlich und cum Iudicio zu führen unnd die modulos oder Coloraturen (so von den Italis Passaggi genennet werden) nicht an einem jeden Ort des Gesanges, sondern appositè, zu rechter zeit und gewisser maß anzubringen und zu appliciren, damit neben der Liebligkeit der Stimmen auch die Kunst wol eingenommen und gehöret werde. Sintemal die jenigen gar nicht zu loben, welche von Gott und der Natur, mit einer sonderbahren lieblichen zitterten und schwebenden oder bebenden Stimm, auch einem runden Halß unnd Gurgel zum diminuiren begabet, sich an der Musicorum leges nicht binden lassen, sondern nur fort unnd fort, mit ihrem allzuviel colorirn, die im Gesang vorgeschriebene limites uberschreiten unnd denselben dermassen verderben und verdunckeln, daß man nicht weiß was sie singen. Auch weder den Text noch die Noten (so der Componist gesetzt, und dem Gesange die beste Zier und gratiam giebt) vernehmnen, viel weiniger verstehen kan.

Welche böse Art dann (deren sich sonderlich auch etliche Instrumentisten angewehnet) die Auditores, sonderlich die der Kunst etwas wissenschafft tragen, wenig afficiret unnd erlustiget, ja vielmehr verdrossen unnd schläfferig machet. Derowegen damit dem Gesange seine naturalis vis und gratia, die ihme der Meister gegeben, durch solche deformitet des diminuirens nit benommen, sondern von menniglichen jedes Wort und Sententia eigentlich verstanden werde: Ist hoch nötig, daß alle Cantores oder Sänger von Jugend auff in voce & pronunciatione articulata sich fleissig uben, und dieselbige ihnen bekant machen.

Wie aber und welcher Gestalt dieses geschehen, und einer nach der jetzig Newen Italianischen Manier zur guten Art im singen sich gewehnen, die Accentus unnd affectus exprimirn, auch die Trillen, Gruppen unnd andere coloraturen. Am füglichsten unnd bequemsten adhibiren könne: dasselbige sol in einem absonderlichen Tractätlein (Worzu Mir denn sonderlich der Giulio Romano sonsten Giulio Caccini de Roma genant, in seiner Le nuove Musiche, und Gio. Battista Bovicelli dienlich gewesen) in kurtzen mit Göttlicher hülffe herfür kommen.

Zu einer lieblichen, rechten unnd schönen Art zu singen, gehören, wie auch zu allen andern Künsten, dreyerley: Als nemblich, Natura, Ars seu Doctrina, & Exercitatio.

 

Gesangswettbewerbe - Hierbei handelt es sich grundsätzlich um reine Zeitverschwendung. In der Regel existieren fragwürdige Altersbegrenzungen, die bereits viele interessante Möglichkeiten beschneiden (automatisch fallen bereits aus Altersgründen ganze Fachgebiete des Gesanges weg). Bereits das Unterfangen, eine auf höchstem Niveau (und ein solches ist nötig!) wirklich kompetente Jury zusammenzustellen, grenzt beinahe an Unmöglichkeit. Es kommt vor, dass beste Sänger aus Angst vor deren Können vorsichtshalber erst gar nicht zu Wettbewerben eingeladen werden (man beachte die weiße, gelbe oder grüne Gesichtsfarbe eines entsprechenden Organisationskommitees). Gelegentlich sind Pfuscher, Hochstapler, Ignoranten, Möchtegernmafiosi, Nichtskönner, Mauschler oder Scharlatane mit der Durchführung betraut. Der Aufforderung, doch einmal für ein paar Monate Gesangsunterricht bei einem wärmstens empfohlenen Nichtskönner oder dessen Assistenten zu nehmen, um seine Chancen auf die Zulassung zum Wettbewerb zu erhöhen, sollte man wohlweislich nicht nachkommen.

 

Glottis [von Manuel Garcia d.J.] Das Öffnen der Glottis - Im Augenblicke, wenn man einen tiefen Atemzug tut, hebt sich der Kehldeckel, welches uns folgende Reihe von Bewegungen zu sehen ermöglicht: die Arytaenoid-Knorpel werden durch eine sehr freie laterale Bewegung getrennt, die oberen Stimmbänder sind gegen die Ventrikel gestellt, die unteren ebenfalls, jedoch in geringerem Grade in denselben Taschen zurückgezogen, und die Glottis weit geöffnet, stellt sich so dar, dass sie die Ränder der Trachea teilweise sehen lässt. Aber so geschickt wir auch immer verfahren mögen, um diese Organe zur Anschau zu bringen, und selbst dann, wenn wir darin am erfolgreichsten sind, bleibt uns doch leider zum wenigsten der dritte Teil der vorderen Glottis durch den Kehldeckel verborgen.

Bewegung der Glottis - Sobald wir uns anschicken, einen Ton hervorzubringen, nähern sich die Arytaenoid-Knorpel einander und pressen sich an ihren inneren Flächen und Stimmfortsätzen zusammen, ohne irgend einen Zwischenraum oder intercartilaginöse Glottis offen zu lassen; zuweilen kommen sie sogar in so innige Berührung, dass sie sich gegenseitig mit den Santorini-Knorpeln kreuzen. Mit dieser Bewegung der Stimmfortsätze steht die der Stimmbänder in Einklang. Dieselben lösen sich von den Ventrikeln, kommen miteinander in verschieden energischer Abstufung in Kontakt und zeigen sich am unteren Ende des Larynx in Form einer Ellipse von gelblicher Farbe. Die oberen Stimmbänder helfen, zusammen mit den aryepiglottischen Falten, die Röhre bilden, welche die Glottis überragt; und da sie die unteren und freien Enden dieser Röhre sind, schließen sie jene Ellipse ein, deren Oberfläche sie vergrößern oder vermindern, je nachdem sie mehr oder weniger in die Ventrikel treten. Diese letzteren behalten kaum eine Spur von ihrer Öffnung. Wir könnten nun im Voraus kühn behaupten, und es soll auch später in diesen Blättern klar genug bewiesen werden, dass diese Taschen den beiden paar Stimmbändern nur als Raum zu leichter Ausdehnung dienen. Wenn die aryepiglottischen Falten sich zusammenziehen, ziehen sie die Epiglottis hinab und machen die obere Öffnung des Larynx bedeutend enger.

Das Begegnen der Glottis-Ränder, welches natürlich von der vorderen nach der Rückseite stattfindet, erlaubt, wenn es gut ausgeführt wird, zwischen den Stimmfortsätzen die Bildung eines dreieckigen Raumes oder intercartiliginöser Glottis; derselbe schließt sich jedoch, sobald Töne hervorgebracht werden.

Nach einigen Versuchen bemerken wir, dass diese innere Ausbildung des Larynx nur zu sehen ist, wenn der Kehldeckel erhoben bleibt. Doch weder alle Register noch alle Grade von Intensivität der Töne sind gleich geeignet, damit er eine solche Stellung annehme. Wir entdecken bald, das die brillanten und mächtigen Töne des Brustregisters die Höhle des Larynx zusammenziehen und seine Öffnung noch mehr verengen, und im Gegensatz dazu, dass die gedämpften Töne und Töne von mittlerer Stärke beide so öffnen, dass die Beobachtung dadurch leicht gemacht wird. Das Falsett-Register und die ersten Noten der Kopfstimme besitzen diese Eigenschaft insbesondere. Um diese Tatsache bestimmter auszudrücken, wollen wir die Tenor-Stimme in dem aufsteigenden Fortgang des Brustregisters, den Sopran in dem des Falsett- und Kopfregisters studieren.

 

Goldschmidt, Hugo  1859-1920. Schüler von Julius Stockhausen (dieser Schüler von Manuel Garcia d.J.). 1891 Direktor des Scharwenka-Konservatoriums Berlin, zusammen mit Philipp Scharwenka.

 

Grenzebach, Ernst  Stimmbildner. * 14.02.1871 Berlin, † 29.05.1936 Berlin. Schüler von Alexander Heinemann. 1900-1904 Gesangsstudium am Stern'schen Konservatorium Berlin. 1904-1911 Sänger und Gesangspädagoge daselbst. 1910-1911: Lehrer an der Musikbildungsanstalt zu Charlottenburg (1910), dann an der Meisterschule für Bühne und Konzert, Berlin-Wilmersdorf, Holsteinischestr. 32. 1910-1912: Konzertsänger. 1911 bis nach 1915 (1923?) am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium Berlin-Wilmersdorf, Nassauischestr. 52/53 (1912). 01.10.1930-30.04.1934 Gesangspädagoge/Professor an der Musikhochschule Berlin. Lehrer von Peter Anders, Arthur Bard, Carl Clewing, Keith Falkner, Anny Helm, Käthe Herwig, Sigrid Johansson, Alexander Kipnis, Max Lorenz, Lauritz Melchior, Meta Steinemeyer u.a. - 1912: am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium auch Ernst Grenzebach'scher Frauen-Chor, Dirigent: Alexander Schwartz; Sprachen: Französisch, Italienisch, Englisch; 20 M/Stunde; Vorbereiterin: Frieda Meyer-Heinze.

 

Grewe, Werner  *20.09.1906 Duisburg, † 14.09.1988 Starnberg, Max-Emanuel-Str. 17. Konzertpianist, Klavierpädagoge, ev.; Eltern: Oberinspektor/Katasterinspektor Gustav Grewe (*24.03.1876 Münster, † 08.07.1929 Münster; dessen Eltern: Friedrich Simon Henrich August Grefe, Wilhelmine Friederike Charlotte Ehlebracht), Elfriede Grewe, *22.10.1880 Barmen, † 22.08.1950 Leverkusen, geb. Wülfing; ihre Eltern: Ewald Wülfing, Anna Juliane Brandenburger; Heirat 15.04.1903 Barmen. Seine Klavierlehrer: 1. NN (bis 1925?), jüdische Schülerin von Franz Liszt; 2. Artur Schnabel: Schnabels Lehrer: Theodor Leschetitzky, dieser Schüler von Carl Czerny, dieser Schüler von Muzio Clementi, Johann Nepomuk Hummel, Antonio Salieri, Beethoven (dieser Schüler von Joseph Haydn, Albrechtsberger, Salieri und Johann Schenk (einem Gesangsschüler von Antonio Tomaselli)); 3. Eugen d'Albert (dessen Lehrer: Franz Liszt, dieser Schüler von Carl Czerny; Ernst Pauer, dieser Schüler von Mozarts Sohn Franz Xaver Wolfgang); 4. Eduard Erdmann, der auf Hitlers Gottbegnadetenliste stand (dessen Lehrer: 1. Bror Möllersten, Schüler von Leschetitzky; 2. Jean de Chastain; 3. 1914-1917 Conrad Ansorge, dieser war Schüler von Franz Liszt sowie Lehrer von Wilhelm Furtwängler). Schüler: u.a. Steffen Lüdecke (anfangs auch bei Ottilie Grewe-Kersten; 1962-69, 1972-75), Michael Alf, Hans-Martin Squarr, Andreas Götz, Susanne Jutz, Martina Veh, Susanne Absmaier, Robert Keilhofer, Maximilian Hörberg (1984-1986). 1916-1925 Johann-Conrad-Schlaun-Gymnasium (Oberschule) Münster i.W., 1925 Abitur bestanden; 1925 Universität Münster (1 Semester); Oktober 1925 bis Juli 1926 Meisterklasse Staatliche Hochschule für Musik in Berlin bei Artur Schnabel; 1926 Meisterklasse Klindworth Scharwenka Konservatorium für Musik in Berlin (wohl) bei Eugen d'Albert; 1927: als Pianist und Begleiter in Münster i. Westf., Kanalstr. 22; 1927-1931 Meisterklasse Staatliche Hochschule für Musik Köln (wohl) bei Eduard Erdmann, Konzertreifezeugnis und Musiklehrerprüfung "sehr gut"; 1931-1939 Konzertpianist und Pädagoge, freiberuflich in Münster; Kriegsdienst vom 26.08.1939 bis Juni 1945; letzter Dienstgrad Stabsgefreiter, Tätigkeit an "Festen Heeresfunkstellen"; Kriegsgefangenschaft keine; Internierung vom 08.05.1945 bis Ende Juni 1945; 1945 von Berlin W Charlottenburg, Platanenallee 11 nach Bayern verzogen; bis 18.10.1945 in Rehling b. Augsburg; seit 19.10.1945 in Starnberg, Ottostr. 21; seit 1953 Max-Emanuelstr. 17. - "01.11.63 Bescheinigung. Der Pianist Werner Grewe aus Starnberg a. See absolvierte 1932 sein künstlerische Studien mit erfolgreich bestandenem Hochschulexamen auf der "Staatlichen Hochschule für Musik" in Köln. Seine solistische Sonderbegabung als Konzertpianist von hohen Gnaden war schon zu Beginn seiner Laufbahn zukunftweisend. Eindeutig war indes auch seine pädagogische Befähigung: sie wurde durch eine ungewöhnliche Neigung und langjährige Erfahrung zu vorbildlicher Lehrtätigkeit gesteigert. Prof. H. Lemacher Köln: Ebertplatz 10."- 01.11.63-31.12.63 Arbeitsvertrag von vornherein "zeitlich befristet", als Vertretung ("Aushilfslehrkraft", "Aushilfsangestellter") für Prof. Kurt Arnold: "Dem Angestellten obliegen in der Regel folgende Tätigkeiten: Aushilfsweise 11 Wochenstunden Unterricht im Haupt- u. Pflichtfach Klavier für den erkrankten Studienprofessor Kurt Arnold." Werner Grewe berichtete 1985, das Niveau an der Musikhochschule München sei ihm zu niedrig gewesen, Karl Richter habe ihn auf Knien gebeten zu bleiben. Mit zu niedrigem Niveau meinte er, dass im Staatsexamen keine Technik geprüft würde (vergleichbar der Grammatik einer Sprache) und die Absolventen allzu häufig wie ein Papagei nur ihre paar wenigen Examensstücke könnten, aber nicht in der Lage seien, ausgehend von einem sehr hohen technischen Können, sich später viele weitere Musikstücke in kürzester Zeit auf höchstem Niveau einzuüben. - Ehefrau (verh. 1942): Ottilie Grewe-Kersten: *19.02.1908 Duisburg, geb. Kersten, † 22.11.1998 Tutzing; Schülerin von Edwin Fischer; Pianistin und Klavierpädagogin. 1955-1971 in München zusammen mit Ottilie Grewe-Kersten Aufnahmen für Klavier zu vier Händen (Bayerischer Rundfunk, Musikarchiv, dort ganze Auflistung erhältlich sowie Überspielungen der Aufnahmen, wurden früher viel im Rundfunk gesendet). 21.12.1956 München: Tansman, Alexandre, Suite für zwei Klaviere und Orchester. - Werner Grewe war im Besitz der Max Reger-Variationen von August Schmid-Lindner, einem Schüler der Tausig- und Liszt-Schülerin Sophie Menter († 23.02.1918 Stockdorf/München). - Bruder von Werner Grewe: Prof. Dr. phil. Rudolf Grewe, *04.10.1910 Münster, † 26.10.1968 Borgdorf-Seedorf, Schleswig-Holstein - Autounfall), ev., Ausbildung: Mathematik, Chemie in Münster und Göttingen; 3 Kinder, Prof. in Kiel; 3 Publikationen [Q: www.kieler.gelehrtenverzeichnis.de, 21.07.15]; 1933-1945 SA-Mitglied, 1937-1945 NSDAP-Mitglied. 

 

Grillen [von Tosi, 1723] Was wird er nicht von dem sagen, welcher das erstaunliche Kunststück erfunden hat, wie die Grillen zu singen! Wer hätte sich wohl, ehe es Mode wurde, jemals träumen lassen, dass man zehn oder zwölf aufeinanderfolgende Achtel, eins nach dem anderen, durch ein gewisses Zittern der Stimme in kleine Stückchen zerbrechen könnte?

 

Grippe [von Leopold Mozart] ... Er hatte sehr große Hitzen. - Das beste ist, daß er viel trinkt und viel pruntzt, braf scheist und wenig ißt, weil ihm der Mund inwendig zu schwierig ist. ... Itzt ruft man mich! Was wars? - Etwas sehr wichtiges! Der Leopoldl hat der Nandl ins Gesicht gepißt. ... Das Kind hat heut Nacht gut geschlafen. Die Schärfe beym Beutterl ist nun zimmlich geheilt, nun curieren wir das Arschloch oder -löcherl.

 

 

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