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Dauer des Gesangsstudiums (1) [von Lilli Lehmann] In früheren Zeiten wurden acht Jahre auf das Gesangsstudium verwandt, z. B. am Prager Konservatorium. Die meisten Fehler und Mißgriffe des Lernenden konnten noch, ehe er ins Engagement ging, ans Licht treten, der Lehrer so lange verbessern, bis der Schüler sich richtig selbst zu beurteilen gelernt hatte.

Aber die Kunst wird heutzutage gleich allem anderen mit Dampf betrieben. Künstler werden in Fabriken, d.i. in sogenannten Konservatorien oder bei Lehrern ausgebildet, die 10-12 Stunden täglich geben. In zwei Jahren erhalten sie das Zeugnis der Reife, oder mindestens das Lehrdiplom der betreffenden Fabrik. Besonders letzteres halte ich geradezu für ein Verbrechen, das der Staat verhindern sollte.

Alle Ungelenkigkeit und Ungeschicklichkeit, Fehler und Mängel, die sonst während eines langen Studiums zutage traten, kommen heute, beim fabrikmäßigen Betriebe, erst in der Praxis zum Vorschein. Von einer Besserung derselben kann nicht die Rede sein, weil weder Zeit noch Lehrer, noch Kritiker vorhanden sind, der Ausübende aber nichts, rein gar nichts gelernt hat, womit er selbst die Kontrolle oder Korrektur derselben übernehmen könnte.

(2) [von Agricola, 1757] Indessen ist es gewiss, dass in den vorigen Zeiten ein Sänger in denjenigen Jahren kaum für einen mittelmäßigen Schüler gehalten wurde, in welchen jetzt mancher schon auf einigen Schaubühnen herumbrilliert hat. Die Alten wendeten mehr Zeit auf die Erlernung richtiger Grundsätze.

de Reszke, Jean Mieczyslaw Stimmbildner. *ca. 1848, † 1925. Eltern: Jean Reszke und Emile Ufnnarska. Schüler von: Ciaffei, Giovanni Sbriglia und Antonio Cotogni. Lehrer von: u.a. Mattia Battistini, Richard Bonelli, Charles Cahier, Feodor Chaljapin, Marie-Louise Edvina, Arthur Endreze, Olive Fremstad, Mary Garden, Maria Janowska, Louise Kirkby-Lunn, Heinrich Knote, Selma Kurz, Tadeusz Leliwa (Lehrer von Jan Kiepura), Miriam Licette, Enzo Lileva, Albert Lindquest, Germaine Lubin, Edith de Lys, Lucille Marcel-Weingartner, McCormack, Nellie Melba, Carmen Melis (Lehrerin von Renata Tebaldi), Willy Niering (Lehrer von Felix Rolke), May Peterson, Mafalda Salvatini, Bidu Sayao (sehr hörenswerte Aufnahmen), Ernestine Schumann-Heink, Oscar Seagle, Leo Slezak, Mrs. Sutherland (Mutter von Joan Sutherland), Maggie Teyte. 11.07(10.?).1896 verh. in Paris mit Marie Anne Henriette de Goulaine; Adresse: Paris, av. Wagram 90; deren Eltern: Arthur Marie de Goulaine und Marie Virginie Sallentini. 1896: Reise mit dem Schiff "La Champagne" ab Havre nach New York, Ankunft: 09.11.1896; zus. mit Paul Plançon (40, Künstler) und Edouard de Reszke (46, Künstler). 1914: Adresse: Paris, 53, rue de la Faisanderie. Eine Sondersammlung zu Jean de Reszke (und Edouard de Reszke) befindet sich im Muzeum Teatralne w Warszawie Teatr Wielki, ul. Moliera 3/5, PL-00 076 Warszawa.

Deutschland [von Wolfgang Amadeus Mozart] Will mich Deutschland, mein geliebtes Vaterland, worauf ich stolz bin, nicht aufnehmen, so muss in Gottes Namen Frankreich oder England wieder um einen geschickten Deutschen mehr reich werden; und das zur Schande der deutschen Nation. - Sie wissen wohl, dass fast in allen Künsten immer die Deutschen diejenigen waren, welche excellierten. Wo fanden sie aber ihr Glück, wo ihren Ruhm? - In Deutschland gewiss nicht! - Selbst Gluck - hat ihn Deutschland zu diesem großen Mann gemacht? - Leider nicht!

deutsch singen [von Wolfgang Amadeus Mozart] Doch da würde vielleicht das so schön aufkeimende Nationaltheater zur Blüte gedeihen, und das wäre ja ein ewiger Schandfleck für Deutschland, wenn wir Deutsche einmal mit Ernst anfingen, deutsch zu denken - deutsch zu handeln - deutsch zu reden, und gar deutsch - zu singen!!!

Diphthonge [von Ferdinand Sieber] Man kann wohl im Sprechen oder auch im schnellen Singen auf einer kurzen Note die beiden Vokale, aus welchen ein Diphthong zusammengesetzt ist, gleichzeitig aussprechen, doch wird dies unmöglich, sobald eine längere Reihe von Tönen oder auch nur ein gehaltener Ton auf einem Diphthonge auszuführen ist. Können also in solchem Falle die beiden Vokale nicht auf einmal in demselben Augenblicke zu Gehör gebracht werden, so muss notwendiger Weise der eine oder andere mehr Gewicht, eine längere Zeitdauer erhalten. Nun ist aber in allen Diphthongbildungen (ai, ei, au, äu, eu) der zweite Vokal für die Tonbildung jederzeit der ungünstigere. Es wäre demnach wider allen Sinn, wollte man, wie in der gewöhnlichen Sprache schnell über den ersten, besseren Vokal hinwegeilen und auf dem zweiten, schlechteren mit der Stimme verweilen. Deshalb gilt für den Gesang gerade die entgegengesetzte Regel:

Man singt jeden Diphthong im Anfange so, als ob nur ein reines a vorhanden wäre. (Lassen sich doch die Klänge ei und eu recht wohl auf ai und äu - was richtiger: geschrieben werden müsste - zurückführen, da ja die Worte: Weise und Waise, heute und Häute fast ganz gleich lauten; somit bleiben im Grunde nur die drei Klangverschiedenheiten des ai, au und , die alle mit a beginnen.) Erst ganz am Ende der Tonreihe oder des langen Tones, unter welchem der Diphthong als Textsilbe steht, lässt man alsdann den Zusammenklang beider Vokale und nicht den zweiten Vokal allein vernehmen, wie es manche Schulen ganz falsch lehren. Beim ai (und ei) singt man zuerst ein reines a, schließlich den Doppelklang ai, nicht i; ebenso bei au erst a, dann au, bei (eu) erst a, dann , ohne dass jedoch irgendein hörbarer Wechsel im Einklange entstehen darf. Der Einzelvokal a muss am Schluss ganz unmerklich in den jedesmaligen Doppelvokal, Zusammenklang, übergehen. Übersehen wir aber nicht, dass das a in den Diphthongen au und eine dunklere Färbung gewinnen muss, als in ai und ei; es wird sich also dem Klange des o zu nähern haben.

Wollten wir diese Regel der Aussprache durch ein musikalisches Beispiel veranschaulichen, so lließe sich dieselbe wohl am besten mit Hilfe des Bindebogens von einem a zum andern versinnlichen:

Man singe also: Le-bens-la-auf, was allein richtig ist, und nicht, wie so oft geschieht: la-u-a-u au oder gar: la-u-u-u-u-u-u-u-u-uf.

Auch beim Portamento begegnet man häufig dem Fehler, dass die antizipierte zweite Note der letzten Hälfte des Diphthonges, d.h. dem schlechteren Vokal, zugeteilt und fälschlich gesungen wird: Sa-in A-u-ge statt: Sa-ain A-au-ge; so süß ge-tra-üumt statt: süß ge-tra-aümt.

Der Schüler hüte sich vor solchen Verstößen und halte sich streng an unsere Regel, die ihm den einzig richtigen Weg bezeichnet, die Diphthonge deutlich und schön auszusprechen.

Die Diphthonge werden sehr selten richtig behandelt, d.h. deutlich und schön ausgesprochen, selbst wenn wir von den ungeschulten Sängern ganz absehen, die auf dem zweiten, schlechten Vokale die ganze Dauer der Note hindurch mit wahrer Lust weilen oder ein Farbenspiel von Selbstlauten herausbringen, in dem alle 5 Vokale samt ihren Schattierungen durcheinander schillern. Wenn Hiller lehrt: "Die Diphthonge können und müssen getrennt werden, z.B. Wa-ise, Gla-u-be" usw., so ist diese, jetzt unter den besseren Lehrern allgemein übliche, Lehre nur bedingt richtig und anwendbar. Die Stimme soll allerdings auf dem ersten guten Vokal fast die ganze Dauer der Note hindurch weilen, insofern trennt man also die beiden Vokale für einige Zeit; dagegen muss im letzten Moment nicht der zweite Vokal, sondern der Zusammenklang beider Vokale hörbar werden, also um bei Hillers Beispielen stehen zu bleiben, in den Worten Waise und Glaube nicht das i und u, sondern der Zusammenklang ai und au nachträglich vernommen werden. Hätten wir Worte, in denen solche Diphthonge vorkommen, ganz schnell auf kurzen Noten auszusprechen, z.B. bau auf ihn!, würden wir in diesem Falle den Doppelvokal ganz wie in der gewöhnlichen Rede zu behandeln, d.h. beide Vokale gleichzeitig auszusprechen im Stande sein. Auf diese Erfahrung gestützt, brauchen wir uns nur die längere Note so eingeteilt zu denken, dass ihr größter Teil dem Vokal a gehört, das letzte Sechzehntel ihrer Geltung aber uns eben den Moment bietet, wo es möglich wird, den Diphthong auf einmal auszusprechen. - Merkel sagt: "Wird dem ai  beim Gesange ein größerer Zeitwert als 2/3 Sekunde gegeben, so wird es in a-i  zerlegt; dasselbe gilt auch von den übrigen mit a  anlautenden Diphthongen." - Zwei Zweiviertelnoten werden beispielsweise so geteilt, dass sieben Sechzehntel ihrer Dauer auf dem reinen Vokal a, das achte Sechzehntel dagegen nicht auf u (wie die meisten Schulen lehren), sondern auf au ausgesprochen wird, gleich als ob in diesem Moment erst die (in der Schnelligkeit mögliche) Aussprache des ganzen Diphthonges verlangt würde. Der Einzelvokal, wir wiederholen es, muss am Schluss ganz unmerklich in den jedesmaligen Doppelvokal (Zusammenklang) übergehen. - Merkel bemerkt in seiner Anthropophonik in Betreff der Schreibweise unserer Diphthonge Folgendes: "Nirgends weicht die Schrift so arg von der Natur ab, als beim Diphthong ai. Alle Welt schreibt nämlich ei, und doch wird er in der Wirklichkeit durchaus nicht ei, sondern allemal ai ausgesprochen. Man bringt, wenn man das sogenannte ei aussprechen will, seine Sprachorgane nicht etwa in die Lage und Stellung, wie sie für e, sondern fast ganz in die, wie sie für a bestimmt ist, und aus dieser A-Lage bewegt man sich fast unverweilt in die I-Lage hinüber. Auf diesem Wege müssen die Sprachorgane allerdings durch die E-Lage passieren, allein da sie darauf nicht verweilen, kommt der E-Laut durchaus nicht zur Geltung, sondern man hört nichts als einen Laut, der mit A ansetzt oder anlautet und in I absetzt oder auslautet. - Ebenso ist an die Stelle von eu zu setzen, äu ist ganz falsch; denn die Organe bewegen sich bei diesem Diphthonge in mehr oder weniger raschem Tempo aus der A-Lage in die Ü-Lage."

Dorfmusiker [von M. H. Fuhrmann, 1706]  Ein Dorfmusiker, der morgens um 4 Uhr auf der Straße den Bauern ein Solo in Unisono auf seinem Kuhhorn daherröhrt und ihren Kühen ein Zeichen zum Marsch ins grüne Feld gibt, hat's oft besser als mancher Kunstpfeifer in kleinen Städten. Hat er keine Accidentia scil. Culinaria, so muss er mit seinen Gesellen und Jungen hin Fischangeln und Krebsfangen usw. gehen, damit sie nicht zusammen müßige Zähne und Mangel am Brot haben, denn sein bisschen Gehalt will nicht zureichen. Wie kann nun die Musik an den Orten florieren, wo deren Cultores sich mit Sorgen der Nahrung quälen müssen, und wie kann derjenige der Musik warten (und solche excolieren), der Pflügen (Holzhauen), die Ochsen mit der Geißel treiben und mit dergleichen (groben) Werken umgehen muss.

Dotterweiss, Joh. Kantor in Wolkenstein/Marienberg bis 1643.

Druck der Luft [von Manuel Garcia d.J.] Bis jetzt haben wir in unseren Aufzeichnungen über die Art, wie die Stimme gebildet wird, allein auf die Starrheit der Glottis Bezug genommen, eine Starrheit, welche wohl nötig ist, um die 1056 Schwingungen, welche das c (4) des Brustregisters, und die doppelte Anzahl, die eine Oktave höher das Kopfregister bilden, in einer Sekunde auszuführen.

Doch gibt es ungeachtet dessen noch ein anderes unerlässliches Moment, um den Stimmklang hervorzubringen, nämlich den Druck der Luft. Druck entwickelt bekanntlich eine elastische Kraft in diesem Medium und zwar in einem umgekehrten Grade zu dem Volumen, welches es einnimmt. Durch die Hilfe dieser Kraft wird die Stärke der Töne erlangt.

Die Kraft des Tones kann nur von der Menge von Luft, die zu jeder "scharfen" Explosion verwendet wird, abhängen. Ich sage "scharfe" Explosion als eine besondere Bedingung: die Glottis sollte sich nach jeder Schwingung vollkommen schließen, denn wenn die Luft einen ununterbrochenen Durchtritt fände, wie bei den Noten des Falsetts, so würden die größten Bewegungen der Glottis und die größte Luftverschwendung genau die schwächsten Töne hervorbringen. Diese Theorie zu verwerfen, würde heißen, die Stärke des Tones der Ausdehnung der Schwingungen, welche durch die Lippen der Glottis ausgeführt werden, zuzuschreiben, und vorauszusetzen, dass diese Lippen, jede einzeln genommen, die Macht besäßen, Töne hervorzubringen, Voraussetzungen, welche den Tatsachen gänzlich widersprechen.

Die elastische Kraft der Luft rührt nicht nur von der Kompression der Lungen, sondern auch von den Kontraktionen der Trachea, welche ihr Kaliber nach den verschiedenen Dimensionen der Glottis einrichtet, her. Durch Hilfe dieser Kraft besiegt die Luft die fortwährend zunehmenden Hindernisse, welche die Lippen der Glottis darbieten, wenn sie allmählich stärkere und stärkere Töne hervorbringen.

So sollte das Problem der Erhöhung der Stimme, welches immer verbunden ist mit dem ihrer Verstärkung, um vollständiger zu sein, den Zusammenhang zeigen, welcher zwischen der Spannung der Glottis-Lippen, dem Druck der Luft und der Anzahl und Stärke der erhaltenen Explosionen besteht. Als eine Folge können wir konstatieren, dass der größere Luftdruck, nötig um die größere Stärke hervorzubringen, in derselben Zeit die Anzahl der Schwingungen vermehren und so den Ton erhöhen würde; um aber dieses zu verhindern, müsste die Glottis zur selben Zeit verlängert werden, und vice versa, oder mit anderen Worten, die verschiedene Länge der Glottis kann unter verschiedenen Graden des Druckes dieselbe Anzahl von Schwingungen, jedoch in verschiedenen Graden von Stärke, hervorbringen.

Dünnebier, Wilhelm Heinrich  Kantor in Zwönitz 1853-1859, später in Zwenkau.

 

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